Die Tochter des Tambourmajors

La Fille du Tambourmajor – Liberté, Egalité, Fraternité


LA FILLE DU TAMBOURMAJOR ist in Frankreich bis 1945 Offenbachs meistaufgeführtestes Stück, wird dann von PARISER LEBEN abgelöst.

Für den deutschsprachigen Raum kann der Blick nur neidisch hinüber auf den Nachbarn gehen: neidisch auf die selbsterrungene Freiheit, auf die grosse freiheitliche Tradition, die sich trotz aller antidemokratischen Kräfte immer wieder grossartig zeigt. (Zuletzt bei den grossen „Je suis Charlie“ im Januar 2015 in Paris)

Das Stück ist eine Rückbesinnung auf den Ruhm der Vergangenheit und eine Feier der Französischen Revolution und ihrer Armee. Es fehlen die scharfen satirischen Töne, es ist viel echtes Gefühl enthalten – komödiantisch ist es trotzdem.

Das Stück spielt 1800 in Norditalien, das von den Österreichern besetzt ist. Die Italiener sympathisieren mit der von Norden vordringenden napoleonischen Armee, die ihnen die Freiheit bringen soll. (Hier in Deutschland nur teilweise vergleichbar mit der Ankunft der Aliierten 1945 – sie haben uns jedoch von uns selbst befreit!!).

Stella, Tochter eines italienischen Adligen, ist versehentlich im Karzer eines Kloster zurückgelassen worden und gerät so in die Hände der französischen Armee. Sie, ganz Anhängerin der französischen Ideale, verliebt sich in den Offizier Robert. Bei der Einnahme Novaras durch die Franzosen wird die Einheit justamente beim Vater Stellas, dem Duca della Volta, einquartiert. Stella soll schnellsten zwangsverheiratet werden mit einem italienischen Grafen Bambini. Stella nutzt das Hin und Her der Frontlinie und taucht verkleidet als Marketenderin in der Französischen Armee unter. Nach einigen Verwechslungen gipfelt das Stück in Mailand: Noch in österreichischer Hand möchte der Duca im Dom seine Tochter verheiraten lassen, solange das noch geht (er hat nicht bemerkt, daß die vermeintliche Tochter, die er verheiraten möchte, die eigentliche französische Markentenderin Claudine ist – egal: Komödie!). Es geht auf Biegen und Brechen – da plötzlich ertönt von ferne (wir sind an die befreienden Trompeten am Schluss des Fidelio erinnert) der Chant du Départ von Mehul. „Diese grossartige, intensive, würdevolle Musik, die von Sieg, Freiheit, Republik zu sagen weiss, vom Opfer für das edelste aller Ziele, und die dann plötzlich mit den Truppen auf offener Szene ausbricht, die sich ganz in blau-weis-rot hüllt. Muss ich extra betonen, daß selbst der teilnahmsloseste Zuschauer hier einen Kloss in der Kehle verspürt?“ beschreibt der französische Offenbachianer Robert Pourvoyeur diese Situation. Es endet mit zwei Hochzeiten und einer Wiederverheiratung!!

Liebe Intendanten! Wenn Ihr die französische Revolution besingen wollt, lasst dieses Mal den Pathos der Les Miserables rechts liegen und greift links zu Offenbachs FILLE DU TAMBOURMAJOR.

 

Textbeispiele:


No. 9 : Rondeau

Allegro non troppo

 

Stella

Nein, es ist ja kaum zu glauben heutzutage,

wie die Eltern uns erziehn!

Es ist für uns Kinder schwer zu ertragen,

es ist dumm und ohne Sinn!

 

Sie verwöhnen ihre Kleinen,

weil sie sind so süss, so süss, so süss, so süss!

Auch wenn sie stöhnen, denn die Kleinen

Sind tyrannisch, wild und wüst!

 

Wenn die Kinder etwas wollen, etwas wollen,

kriegt das Kind gleich, was es will!

Und wenn mal die Kinder etwas sollen, etwas sollen,

bleib’n die Eltern stumm und still!

 

Meno

 

Doch schon ist das liebe Kind

nun achtzehn, zwanzig Jahre alt,

und die grosse Freiheit winkt,

ja, dann heisst es plötzlich lautstark: „Halt!

 

„Du bist jetzt in dem rechten Alter,

bist nicht länger mehr ein Kind!

Willst du einen guten Mann für dich behalten,

musst du heiraten geschwind!“

 

Ob er dir gefällt – nicht wichtig!

„Du nimmst diesen Mann! Adieu, adieu, adieu, viel Spass!

Und bleibt anständig und züchtig!

Und zwar schnell, sonst setzt es was!“

 

Tempo primo

 

Akzeptieren nur den einen, nur den einen,

solche Eltern bleiben stur!

Ohne Mitleid mit den Tränen, die sie weinen,

sagen sie: „Gehorch’ du nur!“

 

Und die Eltern sind zufrieden:

Alles gut, problemlos lief!

Was passiert? Man wird geschieden!

Solche Ehen gehen schief!

 

Stella/Herzogin/Herzog/Bambini

Solche Ehen gehen schief!

Solche Ehen gehen schief!

 

No. 11 : Couplets

 

Allegro

 

Claudine

1.  Ihr meint, das würde sich so g’hören!

Ihr wisst wohl gar nicht, wer ich bin!

Ihr kriegt was hinter eure Ohren,

ich bin die Marketenderin!

Bin ich für euch ein kleines Hündchen,

mit dem man spielen kann, und sonst nichts?

Zart und weich für gewisse Stündchen –

Dann komm mal her und wund’re dich!

 

Na, komm mal her, dann merkste,

was eine Frau so kann!

Und merk’s dir ein für alle Mal:

So! Zick zack! Zick zack!

Hier nimm das und das fürs Erste!

Zick zack! Zick zack!

Und merk dir: Heut’ ist Damenwahl!

 

2.  Dasselbe gilt auch für die Liebe:

Ich hab’ mir einen ausgesucht!

Und wollt’ ihn eine andre kriegen,

dann gibt es Streit, verdammt, verflucht!

Ich bin im Herzen ungefährlich

Und liebevoll, kurz: eine Frau!

Doch will ne andre meinen Kerl,

dann kriegt sie einfach was aufs Maul!

 

Na, komm mal her, dann merkste:

Der Kerl, der ist mein Mann!

Und merk’s dir ein für alle Mal:

So! Zick zack! Zick zack!

Hier nimm das und das fürs Erste!

Zick zack! Zick zack!

Denn heut’ ist keine Damenwahl!

 

 

15 B : Chanson de la Fille du Tambour-Major

 

Allegro non troppo

 

Stella

1.  Mit Rang und Titeln ist’s vorbei,

mit Reichtum, mit Luxus und Erbschaft!

Er war mir immer einerlei,

was heisst es schon, nur reich zu sein,

gegen etwas, das einen glücklich macht?

 

Erwartet mich bescheidenes Glück,

doch ein Leben, wo ich wirklich ich bin,

ich geb’ meine ganze Gard’robe zurück,

für dieses Kleid

für dieses Kleid

der Marketenderin! Ja!

 

Ich bin Fräulein Monthabor

Ra ra ra fla!

Und Tochter vom Tambour-Major

Ra ra ra  ra ra fla!

Ich bin die Tochter, die Tochter von unsrem Tambour-Major!

 

 

2.  Und nun in aller Offenheit

muss ich euch Italienern es sagen:

Ich fühlte unter diesem Kleid

Schon immer seit der Kinderzeit

Ein französisches Herz glücklich schlagen!

 

Ich bin Französin, wie ihr seht,

lauf zu unserer Fahne nun über,

wo unsre Trikolore weht,

bin ich, verflixt!

Da gibt es nix:

Da bin ich lieber! Ja!

 

Ich bin Fräulein Monthabor

Ra ra ra fla!

Und Tochter vom Tambour-Major

Ra ra ra  ra ra fla!

Ich bin die Tochter, die Tochter von unsrem Tambour-Major!