Das kunstseidene Mädchen

Chansonmusical nach dem Roman von Irmgard Keun für 1 Darstellerin und 1 Pianist/in

mit Feline Zimmermann

Buch und Gesangstexte: Carsten Golbeck, Musik: Wolfgang Böhmer

Regie: Katja Wolff

Premiere im Toppler Theater, Rothenburg ob der Tauber am 11. Juni 2022

Verlag Felix-Bloch-Erben

 

Das Stück ist eine radikale Neufassung von Buch und Songs der Originalfassung.

Premiere der Originalfassung von Carsten Golbeck (Buch und Gesangstexte) und Rainer Bielfeldt (Musik) am 9. September 2017 im Renaissancetheater Berlin

 

Das Plakat.

 

Kämpft um den sozialen Aufstieg:

Feline Zimmermann als Doris

in dem Chanson-Musical:

"Das kunstseidene Mädchen"

 

Eine Frau will nach oben.

"Das kunstseidene Mädchen" am Toppler-Theater: Katja Wolff inszeniert ein emotionspralles Chanson.Musical

 

ROTHENBURG. - Mit tragikomischem Karacho und feinnervigen Chansons startet das Rothenburger Toppler-Theater in die Saison. Am Samstag hatte Irmgard Keuns "Kunstseidenes Mädchen" Premiere. Weil Wolfgang Böhmer für Carsten Golbecks Romankonzentrat neue Lieder komponiert hat, war es fast schon eine Uraufführung.

 

"Das kunstseidene Mädchen", 1932 in Berlin erschienen, ist ein hinreißender Zeitroman, witzig, gesellschaftskritisch, kunstvoll, wo er schnoddrig klingt - und das tut er in jedem Satz. Irmgard Keuns Alltagsjargon hat Kraft und Poesie, ihre Beobachtungsgabe satirische Schärfe.

 

Irmgard Keun schickt Doris, eine junge Frau von 18 Jahren, auf den Weg nach oben. Zumindest will sie dorthin, will Eltern, Provinz, die allgemeine Misere, das Elend der Weltwirtschaftskrise hinter sich lassen. Doris will es wissen. Sie will so hoch hinauf, dass niemand mehr auf sie "runterlachen" kann. Sie will ihr Leben selbst bestimmen, qukk Respekt und ruhm. Will ein "Glanz" werden. Und eine Sehnsucht nach Liebe hat sie auch. Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so. Glatt geht gar nichts.

 

Im Toppler-Theater erzählt Doris, immer berlinernd, von ihren Aufschwüngen, Affären und Abstürzen in einem verrüschten Etablissement. Halbbekleidet sitzt sie auf einer gepolsterten Rundbank vor lauter Gardinen: Ausstatterin Saskia Wunsch hat mit wenigen Mitteln einen Altberliner Kunstraum geschaffen. Aus den Stores lugt Zilles "Milljöh". 

 

Katja Wolff, die leitende Regisseurin des Toppler-Theaters, inszeniert das Ein-Frau-Musical mit hohem Tempo und euphorischer Entschiedenheit. Das ist ihr Grundduktus ohnehin. Die Doris, die sie zusammen mit der Schauspielerin Feline Zimmermann entwirft, ist in der langen Galerie der Bühnen-Dorisse vielleicht die willenstärkste, die härteste, die zornigste. Sie ist Orangen nicht, sie verleibt sie sich ein.

 

Man kann Doris naiver, verträumter, verletzlicher anlegen. Es geht aber auch so: Zimmermanns Doris beherrscht den Raum mit jeder Geste. Setzt, stellt, legt sich in Positur. Schaut her: Hier bin ich, ein Glanz! Energien ballen sich in ihr, dass es um sie herum elektrisch knistern müsste. Erst recht, wenn sie singt. 

 

Die Chansons sind die Gefühlsinseln im Stück. Die kluge Leichtigkeit und das genau dosierte Pathos von Carsten Golbecks Texten verbinden sich bestens mit Wolfgang Böhmers Musik. Böhmer schreibt nicht so poppig wie Rainer Bielfeldt, von dem die Originalmusik stammt. Böhmer komponiert Zeitkolorit, den Sound der Weimarer Republik von heute aus gehört. Feline Zimmermann hat die Stimme dafür. Wenn Doris singt, und Böhmer begleitet, ist sie ein Glanz. THOMAS WIRTH